Steht auch unser Glück und Wohlbefinden unter dem Einfluss der Gene? Sind echte
Frohnaturen - vom Augenblick der Befruchtung an - nur wegen ihrer Gen-Ausstattung ihr Leben lang glücklicher? Geht ohne die richtigen Gene gar nix? Ist auch unsere Neigung und Können glücklich zu sein genetisch festgelegt? |
Jahre gesammelt hatte. In ihrer Studie mussten alle Zwillinge den 198 Punkte MPQ-Fragebogen zur Feststellung ihrer Persönlichkeit ausfüllen.
Im Zusammenhang mit dem Glück interessieren uns aber nicht alle Antworten der Zwillinge, sondern |
nur ihre Antworten zu ihrer MPQ-Eigenschaft
"Wohlbefinden", denn diese Wohlbefindens-Eigenschaft des MPQ
ist ein außerordentlich gut
geeignetes Mittel zur
Feststellung des Glücks. Sie erlaubt uns nämlich eine genauere Feststellung des heutigen Glücks als
der üblicherweise in der Glücksforschung
verwendete Fragebogen zur Feststellung der Extravertiertheit. |
Wie unter Fachleuten zu erwarten, stellte Dr. Lykken fest, dass
die erbgleichen Zwillinge,
gleichgültig ob sie im Elternhaus oder in Adoptionsfamilien
aufwuchsen (siehe die hintere Reihe in der Grafik), sich in ihrem heutigen Glück und Wohlbefinden sehr viel ähnlicher waren als
die zwei-eiigen Zwillinge, ebenfalls gleichgültig ob sie getrennt oder zusammen
aufwuchsen (vordere Reihe in der Grafik). |
spiegeln deshalb wahrscheinlich nicht ihre
wahre genetisch festgelegte Ähnlichkeit in ihrem Glück und Wohlbefinden wider.
Denn die Ähnlichkeit in einer einmalig durchgeführten Befragung ist nur eine Momentaufnahme (ein
Schnappschuss) der unbekannten wahren, genetisch festgelegten Ähnlichkeit
und zwar deshalb, weil die einmalige Befragung die täglich kleinen oder großen Schwankungen unseres Glücks (nach oben oder unten)
niemals erfassen und berücksichtigen kann, und deshalb unterschätzt oder unterbewertet eine einmalige Befragung die wahre, langfristig stabile Erblichkeit des Glücks. |
die Wohlbefindens-Summe jedes Teilnehmers
in der ersten Studie zu 55 Prozent mit seiner eigenen Wohlbefindens-Summe in
der Wiederholungsstudie (zehn Jahre später) zusammen hing. Diese mittelprächtige zeitliche Stabilität der
Test-/Wiederholungstest-Ergebnisse von 55 Prozent entsprach auch ganz
den Erwartungen von Dr. Lykken und entspricht auch ganz unseren Vorstellungen, dass
manche Zwillinge, die beim ersten Test die glücklichsten oder unglücklichsten waren, wahrscheinlich zehn Jahre später,
am Tag des Wiederholungstests, mehr oder weniger glücklich oder unglücklich sein würden.
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Erblichkeit des Happiness Set points = 54 Prozent x 100 =
98,2 Prozent » 100 Prozent.
55 Prozent
Nachdem Dr. Lykken also herausgefunden hatte, dass beispielsweise nicht nur das aktuelle, heutige Glück
des erbgleichen Zwillings A(nne) an Hand ihres zehn Jahre zurückliegenden Glücks mit 55-prozentiger Wahrscheinlichkeit zehn Jahre später
vorausgesagt
werden konnte, sondern auch, dass mit 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit
ihr eigenes heutiges Glück an Hand des zehn Jahre zurückliegenden Glücks ihrer Zwillingsschwester B(rigitte) vorausgesagt werden konnte (und dasselbe auch umgekehrt gilt), kam er zu
der - in der internationalen Weltpresse sehr viel Staub aufwirbelnden - Schlussfolgerung, dass
jedem Menschen von Anfang an - voll und ganz, fix und fertig, eine Art angeborener Satz zusammengehörender gleichartiger Dinge, wie körperliche Verfassung, Haltung,
Denkart oder Erwartungshorizont
– ein Happiness Set point mitgegeben
ist, der das Ausmaß seines dauerhaft stabilen Glücks von vornherein festlegt.2) 1) Lykken, David T. und Tellegen, Auke:
Happiness is a Stochastic Phenomenon, in: Psychological Science, 1996,
Band 7, Seite 186 bis 189.
Ähnlich wie sich das Körpergewicht eines Menschen auch nach noch so vielen Schonkost-, Trennkost-, "Petra"-,
"Für Sie"-,"Brigitte"-, "Du darfst"- oder "Hollywood"-Diäten immer wieder auf seinen biologisch vorgegebenen Setpoint
einpendelt, steigt oder fällt auch unser Glück und Wohlbefinden durch erfreuliche oder unerfreuliche Erlebnisse zwar kurzfristig, kehrt aber immer wieder – wie ein Jo-Jo - zu seinem Happiness Set point zurück.
"Unser Glück verbraucht sich und muss erneuert werden", schreibt Dr. Lykken, "Seien Sie deshalb ein bewanderter Epikureer. Eine ständige Schonkost, mit kleinen Freuden, wird Sie oberhalb Ihres genetisch
festgelegten Happiness Set points bleiben lassen. Finden Sie die kleinen Dinge
des Lebens heraus, von denen Sie wissen, dass sie Ihnen Spaß und Freude machen: Gutes Essen,
gutes Trinken, im Garten arbeiten, Freizeit mit Freunden verbringen -, die Liste ist endlos. Und versehen Sie Ihr Leben mit jeder Menge Tüpfelchen davon. Auf lange Sicht werden Sie damit glücklicher leben, als mit irgend einer großartigen Leistung, die Ihnen eine Zeit lang großen Auftrieb gibt." Nach einer Zeit
der großen Glücksgefühle stellt unser Körper sein Glücksempfinden wieder auf sein Normalniveau ein.
"In erster Linie", folgert Dr. Lykken, "wird unser Glück und Wohlbefinden vom großen genetischen Lotterie-Spiel im Augenblick der Befruchtung festgelegt. Das langfristig stabile Glück des Menschen ist deshalb zu 100 Prozent rein zufällig, ein reines Zufallsphänomen.", und er kommt zu der Schlussfolgerung: "Zu versuchen glücklicher zu werden, ist genau so sinnlos, wie zu versuchen größer zu werden. Es ist sinnlos."
Diese,
seine ziemlich pessimistische - sich aber nicht zwingend aus den Zahlen und Fakten ergebende - Schlussfolgerung ist
schmerzhaft falsch.
Warum?
Ist unser Glück jetzt zu 48,5 oder 100 Prozent genetisch festgelegt? Die von Dr. Lykken berechnete Erblichkeit des Glücks von 100 Prozent bezieht sich auf den langfristig stabilen Teil-Aspekt des Glücks, der über einen Zeitraum von zehn Jahren stabil geblieben ist, während
der Teil-Aspekt des Glücks, der 48,5 Prozent beträgt, sich auf jeden x-beliebigen Zeitpunkt
(Moment) bezieht. Einerseits hat sich Dr. Lykken also bei seiner ersten Erblichkeitsstudie auf eine einmalig durchgeführte Befragung konzentriert und aus ihrem Ergebnis geschlossen, dass die Gene einen beträchtlichen
(um die 50-prozentigen) Einfluss auf unser Glück haben. Andererseits hat er sich in seiner Wiederholungsstudie auf das langfristig stabile - zehn Jahre - Glück konzentriert und aus dem Verhältnis seines ersten zu seinem zweiten Ergebnis geschlossen, dass die Gene einen extrem mächtigen (100-prozentigen) Einfluss auf unser Glück haben.
Um die beiden sich widersprechenden Ergebnisse mal schön sauber zu trennen und
klar auseinander zu halten: Natürlich wird einerseits der Teil-Aspekt des Glücks, der über zehn Jahre hinweg stabil bleibt, höchstwahrscheinlich durch
immune, unempfindliche, nicht beeinflussbare Dinge - wie die Gene sie nun mal sind –
sehr stark beeinflusst werden. Andererseits ist aber nicht einzusehen, dass der Teil-Aspekt, der unser
heutiges Glück widerspiegelt, nicht durch potenziell mögliche, erfreuliche oder unerfreuliche Erlebnisse
nicht beeinflusst werden kann. Der langfristige Teil-Aspekt des Glücks oder Happiness Set point ist zwar stabil, aber wir können immer etwas
tun (und tun es auch ständig), damit wir – zumindest augenblicklich oder für eine Zeit lang –
über unserem Happiness Set point liegen und uns dadurch wohler fühlen und glücklicher
sind, als
es in unserer Gen-Ausstattung festgeschrieben steht.
Sicher
haben unsere Gene tatsächlich einen großen Einfluss auf unsere
Neigung und Fähigkeit glücklich sein zu können. Aber die eben besprochenen Erkenntnisse der Zwillingsforschung zur Erblichkeit des Glücks sind zwar
bemerkenswert und interessant, können aber nicht bis zu den genetischen Wurzeln des Glücks vordringen. Weil in den letzten
paar Jahren praktisch bei jeder irgendwie erfassbaren
Eigenschaft der Persönlichkeit genetische Einflüsse zwischen 40 und 60 Prozent wissenschaftlich gut abgesichert festgestellt wurden, sind die Erkenntnisse der Zwillingsforschung zur Erblichkeit des Glücks tatsächlich
- unter uns gesagt, im Vertrauen - nichts besonders Neues.
All ihre an Hand von Stichproben auf das Allgemeine schließenden statistischen Analysen können
niemals die wirkliche, rohe, ursprüngliche Natur und Wurzeln des Glücks heraus finden. Die weitaus erfolgversprechendere Forschungsmethode zur Lösung dieses Problems ist
statt dessen die moderne Biotech-Genforschung. Nur durch sie können wir heutzutage feststellen, ob und wie Unterschiede in
der Gen-Ausstattung direkt mit Unterschieden in der Neigung und Fähigkeit
glücklich sein zu können zusammen hängen. Mit ihrer Hilfe können
direkte Verbindungen zwischen einem bestimmten Gen - sagen wir mal einem Hormon-, Botenstoff- oder Rezeptor-Gen - und einer bestimmten Eigenschaft – zum Beispiel dem
Glücklichsein - direkt festgestellt werden.
Deshalb muss die Glücksforschung in Zukunft eng mit der
Biotech-Genforschung zusammen arbeiten und mit ihren biologischen Tatsachen gekoppelt
werden. Wir wissen schon heute, dass unsere Gene die untrennbaren Wurzeln unserer
(angenehmen und unangenehmen) Gefühle sind. Im 4. Kapitel
unseres Buches Glücksforschung und Glückswissenschaft Band II: Hirnforschung, Neurobiologie, DNS und unsere happy
Gene werden wir uns mit den bereits bekannten, glücklicher machenden Genen
ganz genau beschäftigen.
2) Lykken, David: Happiness, What Studies on Twins Show US About Nature, Nurture, and the Happiness Set Point, Golden Books Publishing Co., Inc.,
2000, 13,95 Dollar, 36,00 DM.